Die Leitstellen sind immer mit ausreichend Disponent*innen besetzt, sodass auch mehrere Anrufende gleichzeitig Hilfe bekommen. Die Schichtführung kann ihr Team auf bis zu 30 Disponent*innen aufstocken, um an kritischen Tagen wie Silvester oder bei Unwettern für ein besonders großes Einsatzaufkommen gerüstet zu sein.
Weichenstellung für die Rettungskräfte
Nach einem Anruf in der Leitstelle fallen lebensrettende Entscheidungen innerhalb weniger Sekunden. Damit das jedes Mal gelingt, arbeiten Disponent*innen mit moderner Technik und nach neuen Erkenntnissen der Teamführung.
Wer den Notruf 112 wählt, wird mit der zuständigen Kooperativen oder Integrierten Regionalleitstelle verbunden. Im Gebiet der Rettungsdienst-Kooperation sind es zwei: Die Integrierte Regionalleitstelle Mitte in Kiel ist unter anderem zuständig für den Bereich Rendsburg-Eckernförde, die Kooperative Regionalleitstelle West in Elmshorn für die Kreise Dithmarschen, Steinburg, Segeberg und Pinneberg.
In einer Leitstelle arbeiten die Teams im Schichtdienst, um an 365 Tagen rund um die Uhr Notrufe annehmen zu können. Sie bestehen aus mindestens vier Disponent*innen und einer Schichtführerfunktion. Ihre Arbeit ist geprägt von Zeitdruck und Komplexität: Oft müssen sie innerhalb weniger Sekunden Entscheidungen über lebensrettende Maßnahmen treffen. Die Zusammenarbeit orientiert sich an Methoden des Crew-Resource-Managements, wie sie auch bei OP-Teams und Flugzeugbesatzungen zum Einsatz kommen. Unter Zeitdruck muss sich jede*r auf jede*n verlassen können. Besondere Achtsamkeit zum Erkennen und Vermeiden von Fehlern kennzeichnet die Arbeit.
Mehrmonatige Spezialausbildung für Disponent*innen
Disponent*innen nehmen Anrufe entgegen, fragen medizinische Daten strukturiert ab und entscheiden über die zu ergreifenden Maßnahmen. Sie sind in der Regel ausgebildete Notfallsanitäter*innen oder Rettungsassistent*innen mit mindestens drei Jahren praktischer Berufserfahrung. Zusätzlich erhalten angehende Disponent*innen eine mehrmonatige modulare Zusatzausbildung. Von erfahrenen Praxisanleiter*innen lernen sie unter anderem die Kommunikation mit Anrufenden und den Umgang mit den technischen Notrufsystemen. Weil Disponent*innen gute Ortskenntnisse haben müssen, besichtigen sie während der Ausbildung neuralgische Punkte im Einsatzgebiet. Das sind zum Beispiel das Kraftwerk Brokdorf, der Nord-Ostsee-Kanal, die U-Bahn in Norderstedt, den Airport Hamburg und Touristengebiete wie Friedrichskoog und das Büsumer Hafenbecken. So haben sie in kritischen Situationen eine Vorstellung vom Einsatzort und können richtige Entscheidungen treffen.
Der Führungs- und Lagedienst behält die Region im Blick
Der ständige Führungs- und Lagedienst behält auch den vorausschauenden Überblick über die Gesamtlage in der Region. Sind zum Beispiel Sturm oder Hochwasser angekündigt, kann er in den gefährdeten Gebieten Rettungsfahrzeuge zusammenziehen. Bei Großereignissen wie dem Wacken Open Air hält er Kontakt zu der örtlichen Einsatzleitung.
Bis zu 30 Disponent*innen im Einsatz
3 Fragen an
Stephan Bandlow
Leiter der Kooperativen Regionalleitstelle West in Elmshorn
Wichtig sind standardisierte organisatorische Abläufe und die ständige Fortbildung unserer Disponent*Innen. Oft müssen sie praktisch gleichzeitig beruhigend auf Anrufer*Innen einwirken, eine erste Verdachtsdiagnose stellen und die in diesem Fall am besten geeigneten Hilfskräfte losschicken. Das erfordert eine Menge Fachwissen, aber auch sehr viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung im Umgang mit Menschen in Extremsituationen.
Wir können jederzeit per GPS-Ortung und Routing sehen, welcher Rettungswagen den kürzesten Weg zum Einsatzort hat. Ein Tool unterstützt unsere Disponent*Innen im Gespräch, beim Stellen der richtigen Fragen und bei der telefonischen Anleitung zur Ersten-Hilfe. Wir integrieren immer neue Technologien um unsere Disponent*Innen bei der Arbeit noch besser zu unterstützen. Aber trotz aller Technik: Am Ende entscheidet immer der Mensch mit seinem Wissen und seiner Erfahrung.
Die Technik entwickelt sich immer schneller weiter: Seit 2019 hilft uns das so genannte AML, Personen über ihr Mobiltelefon im Notruf gezielt per GPS zu orten und so Eintreffzeiten zu verkürzen; seit April 2021 erfolgt das integriert in den Einsatzleitrechner automatisch bei jedem mobilen 112-Notruf. Zukünftige Entwicklungen zielen darauf ab, das Internet of Things in die Leitstelle zu bringen; Messwerte aus vernetzten Sportuhren, Implantaten oder Sensoren in „smarten Häusern“ schlagen automatisch Alarm, wenn bestimmte Schwellenwerte über- oder unterschritten werden und senden die aktuellen Gesundheitsdaten an die Leitstelle. Aber auch die digitale Vernetzung der Leitstellen und aller Akteur*Innen in der Notfallrettung z.B. in Form der Telekonsultation werden weiter fortschreiten. Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz wird immer dort zum Einsatz kommen wo binnen kürzester Zeit Zusammenhänge erkannt oder große Datenmengen ausgewertet werden müssen.