Einsatzübung an schwierigem Objekt

Einsatzübung an schwierigem Objekt

Zug auf der Hochbrücke nach Vollbremsung entgleist - zahlreiche Notrufe gingen am 27. September 2015 gegen 01:00 Uhr nachts zeitgleich bei der Leitstelle Mitte in Kiel ein, ca. 40 Fahrgäste sollen teils schwer verletzt worden sein. Gemäß der angenommenen Lage und der aktuellen Alarm- und Ausrückeordnung wurde sofort entsprechender Alarm ausgelöst und ein Großaufgebot von Rettern zur Einsatzstelle entsandt.

Enge, wenig Licht - die Behandlung im Rettungszug ist eine Herausforderung

Bei dem schweren Zugunglück auf der Rendsburger Eisenbahnbrücke, bei dem in der Nacht zu Sonntag 40 zum Teil Schwerverletzte gemeldet wurden, handelte es sich zum Glück nur um eine unter Federführung der RKiSH aufwändig inszenierte Übung. Neben Einsatzkräften der RKiSH, welche mit 10 Rettungswagen (RTW) und 3 Notarzteinsatzfahrzeugen (NEF) angerückt waren, kamen auch zahlreiche Kräfte von Feuerwehr, DRK, JUH, THW und der Deutschen Bahn zum Einsatz. Insgesamt probten so rund 250 Beteiligte den Ernstfall. Als Beobachter waren neben mehreren Organisatorischen Leitern der RKiSH auch Vertreter der Katastrophenschutzbehörde des Kreises Rendsburg-Eckernförde, der Landesfeuerwehrschule und die Bürgermeister der angrenzenden Städte und Gemeinden vor Ort.

Weil sich die nächtliche Unfallstelle auf der südlichen Rampe der Rendsburger Hochbrücke (Höhe Osterrönfeld) befand, mussten die Einsatzkräfte besonders gut organisiert sein. Der Zug war nur sehr eingeschränkt mit Einsatzfahrzeugen erreichbar. Über diesen Weg konnte ein zügiger Abtransport der Verletzten nicht sichergestellt werden. Daher mussten Retter und Material mit einem Rettungszug zur Unfallstelle transportiert werden. Ein Behandlungsplatz konnte nur in großer Entfernung zur Unfallstelle aufgebaut werden. Der Patiententransport zwischen Unfallstelle und Behandlungsplatz wurde ausschließlich per Zug gewährleistet – für alle Beteiligten sicher eine ungewöhnliche Maßnahme.

Im Vorfeld hatte man sich Gedanken über genau diese Probleme gemacht. Seit einiger Zeit existiert zusätzlich zum Konzept für Größere Notfallereignisse der RKiSH eine spezielle Alarm- und Ausrückeordnung, die sowohl den Disponenten der zuständigen Leitstellen, als auch allen eingesetzten Kräften vor Ort als Basis für ein strukturiertes Vorgehen bei Unfällen im Bereich der Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal dient.

Fest definierte Bereitstellungs- und Behandlungsräume, organisatorisch klar gegliederte Einsatzabschnitte, An- und Abfahrtsrouten, aber auch klare Zuständigkeiten der einzelnen Feuerwehren im Bereich der technischen Hilfe (z. B. Beleuchtung, Rettungsgerät) sorgen dafür, dass es im Ernstfall nicht zu Verwirrungen um Zuständigkeiten und Kompetenzen kommt. Dasselbe gilt für die Einsatzleitung der medizinischen Komponente: Hier wird die Technische Einsatzleitung Rettungsdienst (TEL) der RKiSH durch definierte Gruppen von DRK und JUH Rendsburg mit festen Arbeitsaufträgen unterstützt. Die Übung diente zur Überprüfung des noch im Entwurf befindlichen Gesamtkonzeptes. Nach Fertigstellung wird es den Leitstellen in Gänze vorgestellt und "baugleich" auch für die Eisenbahnhochbrücke in Hochdonn gelten.

Zu den Fahrzeugen, welche die Unglückstelle direkt anfahren konnten, gehörten wenige Fahrzeuge der Feuerwehr, um die Unfallstelle auszuleuchten, sowie Rettungswagen und Notarzteinsatzfahrzeuge der RKiSH. Sie bildeten vorläufige die Einsatzleitung  und begannen umgehend mit der Sichtung der Verletzten. Entsprechende Rückmeldungen an die Leitstelle halfen dieser und der anrückenden Technischen Einsatzleitung Rettungsdienst, den weiteren Einsatzablauf bestmöglich zu organisieren.

Alle weiteren Einsatzkräfte wurden nicht direkt zur Unfallstelle, sondern an einen der definierten Bereitstellungsräume beordert, in diesem Fall den Bahnhof in Schülldorf. Der Transport zum havarierten Zug erfolgte mit einem weiteren Zug, der in der Alarm- und Ausrückeordnung als „Medizinischer Rettungszug“ bezeichnet wird. Selbstverständlich geht auch hier ohne die Unterstützung der Bahn nichts. Im Konzept ist vorgesehen, die nächstverfügbare Regionalbahn am letzten Bahnhof vor der Unfallstelle zu evakuieren und die Fahrgäste mit Bussen weiterzubefördern.
Anschließend wird der Zug nach einem festen Schema mit technischem und medizinischem Material beladen sowie den entsprechenden Helfern von Rettungsdienst und Feuerwehr besetzt werden. Genau dieses Verfahren wurde geübt und der kurzerhand umfunktionierte Zug setzte sich dann auf einem Parallelgleis zur eigentlichen Einsatzstelle in Bewegung. Dort angekommen, wurden die bereits gesichteten Patienten entsprechend ihrer Kategorisierung im Rettungszug betreut, behandelt und für den Transport zum Behandlungsplatz vorbereitet.

Der Transfer zwischen den beiden Zügen war dabei nicht die einzige Herausforderung. Ist man am Bahnsteig das bequeme Einsteigen auf Bodenniveau gewöhnt, geht auf freier Strecke ohne ausreichende "Manpower" nichts. Es gilt einen enormen Höhenunterschied zwischen Gleis und Einstieg zu überwinden. Wer konnte, wurde über Steckleiterteile und das Gleisbett aus dem Zug geleitet, die schwerer Verletzten mussten per Spineboard oder Schaufeltrage von einem Zug zum nächsten getragen werden. Sogenannte  Evakuierungsstege, die als Brücke zwischen parallel stehenden Zügen genutzt werden können, werden nur in Fernzügen mitgeführt.

Spätestens hier wurde deutlich, dass die scheinbar großzügige Alarmierung der Feuerwehren des Amtes Eiderkanal kein Luxus ist, sondern dass hier schon aufgrund der schwierigen Umgebung jede helfende Hand gebraucht wird. Auch wenn die Feuerwehren schwerpunktmäßig technische Aufgaben hatten (z. B. Bereitstellung von Strom, Licht und Einstiegsmöglichkeiten), war auch bei der medizinischen Versorgung der zahlreichen Verletzten und deren Betreuung bis zum Erreichen des Behandlungsplatzes jede verfügbare Feuerwehrhand von großem Nutzen.

DRK-Einheiten aus Rendsburg-Eckernförde und Dithmarschen übernahmen unter anderem auch die Patientenbetreuung im Behandlungsplatz und die Verpflegung der Helfer.

Die Übung hat deutlich gezeigt, dass die infrastrukturellen Gegebenheiten der Einsatzstelle „Eisenbahnbrücke“ ein besonderes Vorgehen in der Planung und Durchführung von Rettungseinsätzen benötigen. Dieses wurde mit diesem Übungsszenario umfangreich vorbereitet und geübt. In den kommenden Wochen sind mehrere Nachbesprechungen geplant, um möglichst viele Erkenntnisse aus der Übung zu gewinnen und das bestehende Konzept ggf. anpassen zu können, damit die Einsatzkräfte in Zukunft für einen Ernstfall bestmöglich vorbereitet sind.
Ein erstes Fazit kann schon jetzt gezogen werden: Die Übung ist durchweg positiv und erfolgreich verlaufen. Optimierungspotential ist immer vorhanden und so wurden natürlich auch kleinere Mängel festgestellt, die es jetzt in der Nachbereitung zu besprechen und konzeptionell zu verändern gilt.

(sh/tfr)

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