Das W:O:A – eine logistische Herausforderung

Das W:O:A – eine logistische Herausforderung

„Doors open!“ Am Donnerstag um 14 Uhr eröffnete das W:O:A zum 30. Mal seine Tore. Dann stürmten Metal-Fans aus aller Welt mit voller Vorfreude auf den „Holy Ground“, um die begehrten Plätze vor den Hauptbühnen zu ergattern. 

Bevor aus einer Kuhweide aber der bekannte „heilige Boden“ wird, bedarf es einer Menge Vorbereitung.

Der Fachbereichsleiter Einsatzdienst der RKiSH, Volker Böhm, trifft sich im Vorwege etwa zehn Mal im Laufe des Jahres mit insgesamt 15 Führungskräften von Feuerwehr, Polizei, Ordnungsamt, der WOA-Produktion und den Veranstaltern, bevor das weltgrößte Heavy-Metal-Festival starten kann. Während des Festivalbetriebes kommen dann noch weitere Fachberater verschiedener Institutionen hinzu. In der gesamten Woche finden etwa 30 Meetings statt.

In den 18 Jahren, in denen Volker Böhm nun an der Organisation des WOA beteiligt ist, hat sich über die Jahre nicht nur die Besucherzahl geändert (1990: 800 Besucher, 2001: 25.000 Besucher, heute: 75.000 Besucher). Auch die riesige Kommunikationsstruktur wurde weiter ausgebaut, die Zusammenarbeit der verschiedenen Institutionen wurde enger, die gesamte Infrastruktur verbessert und durch eine gemeinsame räumliche Nähe von Produktion, Veranstalter und BOS (Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben) wurden die Bedingungen insgesamt optimiert.

Um im Vorwege aus rettungsdienstlicher Sicht genügend Materialien, Equipment und Personal vorzuhalten sowie optimale Voraussetzungen für einen reibungslosen Ablauf des Festivals zu schaffen, bedarf es einer intensiven Planung und Vorbereitung: feste Zu- und Abfahrtswege und Straßen müssen geplant werden, eine ausreichende Anzahl an Einsatz- und Versorgungsfahrzeugen müssen bereitgestellt werden, eine komplexe Personalplanung ist erforderlich, die Technik muss installiert werden und die Versorgung aller Einsatzkräfte mit Speisen und Getränken muss zu allen Zeiten gewährleistet sein, was die Betreuungsgruppe des DRK Kaltenkirchen seit Jahren hervorragend auf die Beine stellt. Wir können ernsthaft behaupten, es ist die beste „Feldküche“ der Welt, die uns in der Woche verpflegt.

Personalplanung

Die Personalplanung für das diesjährige Wacken Open Air hat Roger Wiggers durchgeführt. Er ist seit vielen Jahren auf dem Festival dabei und kann mit seiner langjährigen Erfahrung die Mitarbeiter optimal planen.

Jedes Jahr findet nach dem Festival eine Besprechung statt, um die Durchführung im kommenden Jahr zu verbessern, und das spielt auch für die Planung der Mitarbeiter des Rettungsdienstes eine wichtige Rolle.

Alles beginnt mit der Ausschreibung des Dienstplanes im März des jeweiligen Festivaljahres. Ab dann können sich interessierte Mitarbeiter für Dienste beim W:O:A melden. Die Vergrößerung der RKiSH durch den Kreis Segeberg war auch für die Dienstplanung ein großer Gewinn, da nun noch mehr festivalbegeistertes Personal zur Verfügung steht: „Durch Segeberg ist es leichter geworden, die Dienste zu besetzen“, freut sich Roger Wiggers.

Da sich von 2000 bis 2008 die Besucherzahlen von 25.000 auf 75.000 verdreifacht haben, musste auch die „Rettungswache Wacken“ in dieser Zeit mitwachsen. Während früher auch häufig Einsatzfahrzeuge von außerhalb zur Unterstützung angefordert und somit umliegende Rettungswachen mit eingebunden wurden, können nun die notwendigen Transporte direkt aus Wacken heraus bedient werden.

Bis 2015 stieg neben der Vorhaltung der Fahrzeuge auch die Anzahl des eingesetzten Personals. Seit nunmehr vier Jahren ist das Einsatzaufkommen nahezu gleichgeblieben, berichtet Wiggers. Hieran ist auch die gute Leistung der TEL und ÖEL (Schwerpunktbericht 2018) verantwortlich.

Für alle eingesetzten Kräfte gibt es im Vorwege des Festivals eine gesonderte Einweisung. Hierbei werden die Mitarbeiter z.B. mit dem Aufbau des Geländes vertraut gemacht, auf die besondere Straßenregelung eingewiesen und auf das Verhalten in besonderen Lagen eingearbeitet, auf welche sie natürlich schon in regelmäßigen Fortbildungen durch die RKiSH geschult sind. Außerdem findet hier bereits die Bänderausgabe statt, damit die eingesetzten Kräfte dies nicht noch vor ihren Diensten erledigen müssen. Dieser Ablauf ist einem hohen Vertrauen des Veranstalters durch langjährige gute Zusammenarbeit zu verdanken.

Auch den Auszubildenden der RKiSH bleibt Wacken nicht vorenthalten. Im ersten Lehrjahr ist das Festival mittlerweile ein fester Bestandteil der Ausbildung. Die Auszubildenden bekommen eine eigene Einweisung sowie Führung über das Festival-Gelände. Außerdem wird ihnen ermöglicht, einen Dienst auf einem der RTW mitzufahren. Im weiteren Verlauf der Ausbildung haben sie hierzu jedes Jahr wieder die Möglichkeit, sodass sie dann als ausgelernte Fachkräfte bereits zu erfahrenem „Wacken-Personal“ gehören.

Materialwirtschaft

Das RKiSH-Zentrallager in Heide trifft ebenfalls besondere Vorbereitungen für das Festival und kann auch bei größeren Schadenslagen jederzeit auf dem Gelände aushelfen. Die Besonderheiten während dieser Zeit liegen darin, auch in Ausnahmefällen genügend Arbeitsmaterial zur Verfügung zu stellen. Hierbei spielen nicht nur die Materialien für das ABC-Management (Airway, Breathing, Circulation) eine wichtige Rolle, sondern auch die Materialien für Desinfektion und den Wärmeerhalt.

Andreas Brockmann, Teamleiter der Materialwirtschaft, berichtet von einem Fall aus 2015, in dem, bedingt durch die Kälte, mehr Decken für die Patienten benötigt wurden, als erwartet wurde. Durch die zusätzliche Vorhaltung während des Festivals ist so ein erhöhter Bedarf jederzeit händelbar.

Die Rettungswache Itzehoe ist ein besonderer Dreh- und Angelpunkt in der Festivalwoche. Da das Klinikum Itzehoe das nächstgelegene Krankenhaus zum Veranstaltungsgelände ist, werden dorthin die meisten Patienten transportiert. Somit füllen dort auch die meisten Rettungswagenbesatzungen ihren Bestand an Verbrauchsmaterialien auf. Hans-Werner Boll leitet das Lager in Itzehoe und berichtet, dass zwei Wochen im Voraus mehr Schutzhandschuhe, Infusionen (eine Palette mit 1080 Flaschen extra), Protokolle zur Dokumentation und vieles mehr bestellt werden, um für das erhöhte Einsatzaufkommen gerüstet zu sein. Das Lager in Itzehoe bietet hierfür die richtigen Voraussetzungen. Zudem wird zwei Wochen vor dem Festival ein Container Dienstkleidung extra bestellt, um den Rettungsfachkräften jederzeit einen Wechsel der Kleidung zu ermöglichen.

Fahrzeugvorhaltung

Die Organisation der Fahrzeuge auf dem Wacken Open Air läuft für die RKiSH über Olaf Hansen. Ab Anfang Juni beginnt die Planung in Abstimmung mit den Wachenleitern und dem Team Fuhrpark. So wird der konkrete Fahrzeugbedarf ermittelt. Die eingesetzten Fahrzeuge sind Fahrzeuge aus allen Kreisen der RKiSH, damit der Regelrettungsdienst bei Ausfällen auch noch ausreichend Reserven hat.

Die während des W:O:A genutzten Rettungswagen sind also Fahrzeuge aus dem regulären Einsatzdienst und haben die gleiche Ausstattung. Regelmäßige Kontrollen und Desinfektionen finden während des Festivals gleichermaßen wie im normalen Tagesgeschäft statt.

Platzmanagement und Technik, Zu- und Abfahrtswege

Das SanCamp des Wacken Open Air, in dem sich auch die Rettungswache Wacken befindet, wird von RKiSH und DRK aufgebaut. Seitens der RKiSH beginnen die Aufbauarbeiten gut zwei Wochen vor Festivalbeginn. Für die Planung gibt es vorab telefonische Absprachen, die oftmals schon reichen, da es mittlerweile schon ein fest eingespieltes Team von Beteiligten für den Ablauf gibt. Das Material wird durch verschiedenste Quellen gestellt, wie z.B. das DRK, Privatpersonen oder die RKiSH selbst. Andreas Krey spielt hierbei eine wichtige Rolle, da er den ganzen Prozess „zum Laufen bringt, denn alles funktioniert nur zusammen und durch geknüpfte Kontakte“, wie er selber sagt.

Die Zuwege zum SanCamp und Abfahrtswege zu Bühnen, Campingflächen oder in das Dorf werden durch den Veranstalter in Absprache mit dem Ordnungsamt selbst geregelt.

Funk

Da im Ort Wacken bereits seit einigen Jahren eine besondere Digitalfunkinfrastruktur installiert wurde, besteht im Umfeld des Dorfes ein Funknetz mit weitaus mehr Möglichkeiten als andernorts. Während des Festivals werden im Regelbetrieb vom Rettungsdienst zwei Rufgruppen genutzt, was aber im Bedarfsfall bis auf 20 Gruppen erhöht werden kann.

Ohne Kommunikation bricht alles zusammen. Daher ist Team Funk mit dem Servicemobil auf dem Gelände um sofort auf Störungen reagieren zu können.

Krisenmanagement

Um sich fortzubilden und auf dem Festival auf alle Situationen bestmöglich vorbereitet zu sein, nehmen die Führungsverantwortlichen der RKiSH regelmäßig an Echtzeitübungen mit verschiedensten Szenarien teil. Zusammen mit dem kompletten WOA-Stab, der Polizei, Amtsvertretern, der WOA-Produktion und noch anderen. So kann im Vorwege die Bewältigung von bedrohlichen Situationen eng abgestimmt und unter realitätsnahen Bedingungen trainiert werden. In intensiven Nachbesprechungen wird dann der interne Ablauf noch besser abgestimmt, alle Institutionen sind auf dem aktuellen und vor allem gleichen Wissensstand und eine direkte Kommunikation ist gewährleistet. Neben den Übungsszenarien wird jährlich wechselnd ein anderes großes Festival besucht, um dort die besonderen Gegebenheiten und differenten Strukturen mit den eigenen Mechanismen zu vergleichen. So kommt es zu einem ergebnisreichen Wissens- und Erfahrungsaustausch z.B. mit dem dänischen Roskilde Festival, dem Hurricane Festival oder dem Rock am Ring.

Die rettungsdienstliche Logistik und Versorgung auf dem Wacken Open Air ist zwar nur ein kleiner Teil des gesamten Festivals, aber dennoch sehr wichtig und umfangreich. Viele Funktionsträger, Institutionen, Teams und Einsatzkräfte arbeiten eng zusammen, um allen ein unvergessliches Festival und damit das „Wackenfeeling“ zu bereiten.

Und während am Sonntag die letzten Metalheads ihre Zelte abbauen, finden schon die ersten Planungen für das WOA 2020 statt, denn: „Nach Wacken ist vor Wacken!“

 (ka/ls/ls/sk)

Zurück

Copyright 2020 Rettungsdienst-Kooperation in Schleswig-Holstein (RKiSH) gGmbH.